Sich kennenlernen und umkehren…

Mein Name ist Hubert Frank, ich habe früher die Männerseelsorge im Bistum Mainz geleitet und bin nun seit knapp 6 Jahren als Gefängnisseelsorger tätig. Die Insassen sind größtenteils Männer und sie haben betrogen, Menschen bedroht und ausgeraubt, Drogen genommen und Drogen verkauft. Es ist eine Kurzstrafen Haftanstalt. Die Insassen sind nicht zu lange hier und können ihr Leben in absehbare Zeit auf neue Füße stellen.
Meine Hauptaufgabe ist es, diese vorwiegend jungen Männer intensiv zu begleiten und ihnen sonntags im Gottesdienst auch die Frohe Botschaft der Bibel nahe zu bringen.
Das ist intensive Männerarbeit, besser noch Männerseelsorge. Denn ihre Seele haben sie oft tatsächlich im Laufe ihres Lebens verloren.
Viele von ihnen haben eine Menge Verletzungen in ihrem Leben einstecken müssen. Manche haben erlebt, dass ihre eigenen Eltern sie umbringen wollten, es aber dann doch nicht hinbekommen haben. Andere sind in frühster Kindheit regelmäßig geschlagen und missbraucht worden, wieder andere hat man abgelehnt, nicht wenige sind im Heim groß geworden. Sie alle haben in irgendeiner Weise ein Trauma erlebt. Darüber hat aber niemand mit Ihnen gesprochen.
Sie haben sich deshalb gepanzert, um nie wieder verletzt zu werden und Schmerzen ertragen zu müssen. Sie haben sich Muskeln antrainiert, sich tätowieren lassen, damit sie schon in ihrem äußeren Erscheinungsbild mögliche Angreifer abschrecken.
Und sie haben früh angefangen, Drogen zu nehmen, um dieses Leben, diese Einsamkeit überhaupt ertragen zu können.
Leider bleibt es nicht beim einfachen Konsumieren. Denn das verschlingt Unsummen von Geld und deswegen kommt dann die Beschaffungskriminalität unweigerlich hinzu. Dann setzt ein Teufelskreis ein, aus dem sie alleine selten wieder herausfinden.
Wenn ich die Männer nun begleite, einmal die Woche oder auch zweimal, interessiere ich mich für ihre Lebensgeschichte. Was ist passiert, bevor sie Drogen genommen haben. Und in der Regel erzählen sie sehr offen davon, weil sie kaum jemand danach gefragt hat und daraus auch kein Gutachten gemacht wird. Während sie das mir erzählen, hören sie sich auch selbst zu. Sie hören sich reden und sind manchmal erstaunt, was da alles an die Oberfläche kommt. Ich bewerte es nicht und sie fangen auf einmal an, sich selbst zu verstehen. Sie werden ruhiger, sie vertrauen mir und sich immer mehr. Sie fangen an, sich nicht mehr so zu verurteilen und abzuwerten, sondern sie werden barmherziger mit sich selbst, sie fangen an, ein Herz mit sich zu haben. Man kann der Veränderung von Woche zu Woche fast zuschauen. Sie verändern sich auch äußerlich, sie werden hübscher.
Gleichzeitig fangen sie an, neu auf ihr Leben zu schauen und Ideen zu bekommen, was sie mal vorhatten, was sie wünschen, was sie anders machen könnten. Sie fangen an umzukehren und den richtigen Weg einzuschlagen. Auch darin begleite ich sie und helfe ihnen manchmal auch ganz praktisch, wo ich kann.
Was für diese Klientel von Männer in vielleicht etwas extremer Form gilt, passt auch bei vielen anderen Männern, die (noch) nicht im Gefängnis gelandet sind. (93,7% zu 6,3% ist die Aufteilung zwischen Männern und Frauen, was die Verteilung der Haftinsassen in unserem Land betrifft).
Deshalb ist ein flächendeckendes Angebot von niederschwelligen Beratungsangeboten für Männer eine wichtige Präventionsarbeit, damit Männer nicht im Gefängnis landen. Das ist auch wesentlich billiger.